Der Elefant im Raum

Nach drei Jahren intensiver KI-Transformation im Enterprise-Umfeld muss ich eine unbequeme Wahrheit aussprechen: Ich kenne aktuell kein einziges Unternehmen, das mit generativer KI profitabel arbeitet. Nicht eines.

Das ist keine Polemik. Das ist die nüchterne Beobachtung eines Praktikers, der täglich mit KI-Implementierungen arbeitet.

Die Investitionslawine ohne ROI

Die Zahlen sind ernüchternd: Über eine halbe Billion Dollar ist in generative KI geflossen, ohne dass eine einzige profitable Firma entstanden ist, die Modelle entwickelt oder auf Modellen aufbaut . Während NVIDIA GPU-Verkäufe von über 200 Milliarden Dollar seit Anfang 2023 verzeichnet, generiert die gesamte generative KI-Industrie geschätzt nur 44 Milliarden Dollar an Umsatz – die meisten davon mit massiven Verlusten .

Die Diskrepanz ist atemberaubend: Unternehmen wie OpenAI werden auf Grundlage von 115 Milliarden Dollar Kapitalverbrennung in den nächsten vier Jahren prognostiziert , während selbst Microsoft, der Verkaufsriese schlechthin, nur etwa 13 Milliarden Dollar jährlich mit KI verdient – davon stammen 10 Milliarden aus OpenAI’s eigener Azure-Nutzung .

Das Microsoft-Paradoxon: Wenn selbst die Besten nicht verkaufen können

Besonders aufschlussreich ist der Fall Microsoft 365 Copilot. Bei 440 Millionen Microsoft 365-Abonnenten erreicht Microsoft 365 Copilot nur etwa 8 Millionen aktive Nutzer – eine Konversionsrate von mageren 1,81 Prozent .

Wenn Microsoft mit seinem gewaltigen Vertriebsapparat, seiner Marktmacht und Milliarden an Marketing-Budget KI nicht verkaufen kann – wer dann?

Die Antwort ist ernüchternd: Niemand. Microsofts KI-Umsätze außerhalb von OpenAI liegen schätzungsweise zwischen 1,5 und 2 Milliarden Dollar – für ein Unternehmen, das über 27 Milliarden Dollar Quartalsgewinn macht, ist das statistisches Rauschen.

Die fundamentalen ökonomischen Probleme

Aus meiner täglichen Arbeit sehe ich die folgenden strukturellen Probleme:

1. Unkontrollierbare Kosten

Large Language Models haben ein fundamentales Kostenproblem: Selbst Anthropic, der zweitgrößte Modellanbieter, kann die Kosten seiner Nutzer nicht kontrollieren, mit einzelnen Usern die bis zu 50.000 Dollar Compute-Kosten bei einem 200-Dollar-Monats-Abo verursachen .

Das ist kein Geschäftsmodell. Das ist Venture-Capital-Welfare.

2. Keine Verlässlichkeit

LLMs halluzinieren. Sie produzieren Fehler. Sie sind probabilistisch, nicht deterministisch. Jeder Fehler verursacht zusätzliche Kosten durch weitere Generierungen . In der Produktion ist das inakzeptabel.

3. Falsche Versprechen

Die Medienberichterstattung über “KI ersetzt Programmierer” ist eine manipulative Lüge . Als jemand der täglich mit Software-Architekten arbeitet, kann ich bezeugen: KI-Coding-Tools können Code generieren, aber sie können keine Software-Entwicklung betreiben.

Software-Engineering ist Problemlösung, Architektur, Wartbarkeit, Skalierbarkeit – nicht nur Code-Generierung. Coding LLMs machen einfache Dinge einfacher, aber schwierige Dinge schwieriger .

Die gefährliche Blase

Wir befinden uns in einer beispiellosen Situation:

  • Private Credit investiert 50 Milliarden Dollar pro Quartal in Rechenzentren
  • NVIDIAs Geschäft basiert zunehmend auf zirkulären Deals mit “Neoclouds”, die Geld aufnehmen um GPUs zu kaufen, die als Sicherheit für mehr Schulden dienen
  • OpenAI hat sich für über eine Billion Dollar an Verpflichtungen eingelassen

Das ist kein nachhaltiges Ökosystem. Das ist eine Blase, die auf dem Rücken von Investoren aufgeblasen wird, die darauf hoffen, dass irgendwann, irgendwo, irgendjemand einen Weg findet, damit Geld zu verdienen.

Meine klare Botschaft: Jetzt monetarisieren oder scheitern

Als jemand, der eine KI-Transformation im Enterprise-Umfeld verantwortet, vertrete ich die Position:

Langfristige Visionen sind wichtig. Aber sie sind wertlos ohne kurzfristige Erfolge.

Wir müssen jetzt beginnen, KI-Innovation zu monetarisieren, sonst:

  1. Geht Stakeholdern die Geduld aus
  2. Verlieren Unternehmen das Vertrauen
  3. Kann keine neue Innovation entstehen

Start Small – Think Big funktioniert

In meiner Arbeit folge ich einer einfachen Philosophie:

Kleine, konkrete Erfolge schaffen Vertrauen und Akzeptanz. Dann iterieren wir zur Vision.

Nicht umgekehrt. Nicht “vertraue mir, in 5 Jahren wird das profitabel”. Sondern: “Hier sind die Kosteneinsparungen dieser Woche. Hier ist der gemessene Produktivitätsgewinn. Jetzt skalieren wir.”

Die harte Realität für Entscheider

Für Führungskräfte bedeutet das:

  1. Hört auf, “KI-Strategie” als PR-Vehikel zu missbrauchen. 65 Prozent der Unternehmen nutzen regelmäßig generative KI, aber nur 18 Prozent haben ihr volles Transformationspotenzial ausgeschöpft .

  2. Fordert messbare Ergebnisse. Nicht “KI-Readiness”. Nicht “Experimentieren”. Echte Business-Outcomes mit ROI.

  3. Seid ehrlich über Limitierungen. LLMs sind probabilistisch. Sie halluzinieren. Sie sind teuer. Das sind keine temporären Probleme – das sind fundamentale Eigenschaften der Technologie.

  4. Investiert selektiv. 53 Prozent der mittelständischen Unternehmen planen, ihre KI-Budgets um bis zu 25 Prozent zu erhöhen . Die Frage ist: Wofür? Für Proof-of-Concepts oder für produktive Systeme?

Fazit: Die Rechnung kommt

Die KI-Industrie befindet sich an einem Wendepunkt. Die exponentielle Geldverbrennung kann nicht ewig weitergehen. NVIDIA’s Wachstum verlangsamt sich bereits von 265 Prozent auf 56 Prozent year-over-year . Die Hyperbole-Phase ist vorbei.

Was jetzt kommt, ist die Abrechnung: Welche Anwendungen liefern tatsächlich Wert? Welche Unternehmen finden einen Weg zur Profitabilität? Wer überlebt, wenn das billige Geld aufhört zu fließen?

Meine Prognose: Die meisten werden scheitern. Nicht weil die Technologie schlecht ist, sondern weil die Ökonomie nicht funktioniert und die Versprechen überzogen waren.

Die Gewinner werden jene sein, die jetzt – nicht in fünf Jahren – konkrete, messbare, profitable Anwendungsfälle liefern. Die anderen? Die werden eine teure Lektion in überzogenen Erwartungen und fehlender Execution lernen.


Quellenverzeichnis

Hauptquelle

Zitron, Ed (2025): “The Case Against Generative AI”, Where’s Your Ed At, https://www.wheresyoured.at/the-case-against-generative-ai

Umfassende Analyse der KI-Bubble mit detaillierten Finanzdaten Verwendung: Mehrfach zitiert für Umsatz-, Kosten- und Marktzahlen

Ergänzende deutschsprachige Quellen

Computerwoche (26. Februar 2025): “2025 ist das Jahr der Wertschöpfung durch KI”, https://ai-powered-business-transformation.computerwoche.de/ki-und-automatisierung/2025-ist-das-jahr-der-wertschoepfung-durch-ki/

McKinsey-Studie: 65% der Unternehmen nutzen regelmäßig generative KI ThoughtLab-Studie: Nur 18% haben volles Transformationspotenzial ausgeschöpft

Markt und Mittelstand (7. Dezember 2024): “KI-Potenzial im Mittelstand: Studie 2025”, https://www.marktundmittelstand.de/technologie/ki-studie-2025

Avanade Trendlines AI Value Report 2025 53% der Mittelständler erhöhen KI-Budgets um bis zu 25% 48% weltweit / 37% in Deutschland in Phase der Business Case Definition

Internationale Quellen

Investing.com (19. August 2025): “KI-Aktien August 2025: Top Picks für Anleger”

KI-Unternehmen investieren bis zu 30% des Umsatzes in F&E

LYNX Broker (September 2025): “Die 10 besten Artificial-Intelligence-Aktien”

NVIDIA Wachstumszahlen: +114% (2024/25), projiziert +58% (2025/26)

Handelsblatt Live (23. Januar 2025): “Diese 7 KI-Entwicklungen bestimmen 2025”

Trend zu KI-Agenten Hinweise auf Zurückfahren von KI-Initiativen bei vielen Unternehmen